UNSETTLING SOUNDS
Unser Gedächtnis bewahrt Eure Namen.
Unser Mund trägt sie aus den Falten und dem Papier.
Die Programmreihe UNSETTLING SOUNDS des Berliner Trickster Orchestra führt lyrische Stimmen und musikalische Klänge zusammen, die von tiefen zeitgenössischen Erschütterungen erzählen. Über den gesamten Globus hinweg erleben Menschen, dass sie durch repressive Regime, den Verlust von Freiheit, durch Ungleichbehandlung, Rassismus oder Vertreibung in ihrem Dasein bedroht sind. Solch existenziell destabilisierende Erfahrungen lassen sich in rationaler Sprache kaum ausdrücken.
UNSETTLING SOUNDS formuliert über zeitgenössische Musik und Lyrik einen neuen Ausdruck, eine eigene Sprache für die subjektiv erfahrenen Zustände unserer Zeit. Jede Ausgabe zoomt in individuelle Gesellschaften, um Stimmen aus zeitgenössischer und moderner Lyrik sowie Klänge aktueller Musik aufzuspüren, die gegenwärtige Bedrohungen neu verarbeiten. Die Rezitationen, Gesänge und Klänge der Ausgaben teilen ein emotionales Terrain von Schmerz, Zerrissenheit und zugleich der Suche nach der eigenen Sprache und Handlungsfähigkeit. Die im Zentrum stehenden globalen lyrischen Stimmen und vielsprachigen Gesänge spiegeln die komplexen Schattierungen menschlicher Erfahrungswelten und ermöglichen es uns, inneres Bewusstsein wahrzunehmen und uns mit ihm zu identifizieren, um auf diese Weise sein Wesen zu stärken.
UNSETTLING SOUNDS : Postmigrantisches Deutschland
Die Herabwürdigung von Migration, komplexen Biografien und die steigende Bedrohung der pluralen, offenen Gesellschaft zeigen sich in Deutschland drastisch und bedrohlich vor unseren Augen. Perspektiven von People of Color und von Menschen, deren Familien oder die selbst eingewandert sind, fehlen im öffentlichen Diskurs häufig in eklatanter Weise. Das Trickster Orchestra spielt als Reaktion auf diese Zustände, die Remigrationsdebatten und Leerstellen neue kollektive Improvisationskonzepte. Welche Klangsprache kann anhaltender Gewalt und erfahrener Entmenschlichung Gehör verschaffen? Über globale Instrumentierung, aktuelle Lyrik und transkulturellen Sprach- und Klangfarbenreichtum markierte das Orchester die Bedrohungslagen für postmigrantisches Leben und multiperspektivisches Denken in Deutschland. Es erklingt Lyrik von Senthuran Varatharjah, Sveta Kundish, Cymin Samawatie; Cham Saloum und Nāzik Ṣādiq al-Malāʾika.
UNSETTLING SOUNDS : Iran & Afghanistan
Das gemeinsam mit der afghanischen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Mariam Meetra kuratierte Konzert rückt zwei Länder in den Fokus, in denen viele Frauen um ihr Recht auf Leben, Teilhabe und Selbstbestimmung ringen. Das Trickster Orchestra schafft gegenüber solchen Bedrohungszuständen eine akustische Ausdrucksform der globalen Verbunden- und Verflochtenheit, die im trans-traditionellen Klang Präsenz gewinnt. Die Gedichte der Lyrikerinnen Forugh Farrochzād (1935–1967), Mariam Meetra (*1992), Shafiqa Khpalwak (*1996), Cymin Samawatie (*1976) und Atefe Asadi (*1994) auf Farsi, Dari und Paschto artikulieren in eindrucksvollen Bildern die Grenzen der Ausdrucksfähigkeit gesprochener Sprache. Sie blicken auf Unfreiheit und stellen weiblichen Perspektiven im inneren und äußeren Exil in den Vordergrund. Schließlich kreisen sie um die Frage, wie inneres Bewusstsein Anerkennung finden kann, das von Leid, Heimatverlust und Freiheitskampf gezeichnet ist. Das Konzert ist Teil des Monats der zeitgenössischen Musik Berlin der initiative neue musik e.V. / field notes berlin.