Trans-traditionelles Musiklabor
Teil der Exzellenten Orchesterlandschaft Deutschland 2024–26
Eine kreolisierte zeitgenössische Musikkultur wäre sensibel für ethnische Aspekte und würde eine Mosaik-Identität etablieren.
Das Trans-traditionelle Musiklabor ist ein öffentlicher, experimenteller und zukunftsorientierter Arbeitsprozess, der in einem dreitägigen vielformatigen Festival und einer multimedialen E-Buchpublikation mündet. Das auf zwei Jahre angelegte Musiklabor geht der Frage nach, wie eine multiperspektivische, post-migrantische Orchesterpraxis gestaltet werden kann, die Deutschlands diverser Gesellschaft des 21. Jahrhunderts Ausdruck und Sichtbar-keit verleiht: Wie wird klassische (Kammer-)Musikpraxis anschlussfähig für eine post-migrantische Gesellschaft? Für diese Erkundung lädt das Trickster Orchestra Mitglieder trans-traditioneller Ensembles in Deutschland sowie weitere Gäste aus der Komposition, Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst zum gemeinsamen Arbeiten ein. Mit diesem Vorhaben wird das Trickster Orchestra Teil des Bundesprogramms »Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland« der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Januar bekanntgegeben hat.
Das Projekt gliedert sich in fünf Encounters, die alle unterschiedliche Aspekte des trans-traditionellen musikalischen Arbeitens zum Thema haben. Sie dienen gleichsam als Inkubatoren, die musikalische Themen und Konzepte hervorbringen, die auch Teil des abschließenden Festivals werden können. In den Encounters entwickelt das Trickster Orchestra mit Gästen innovative Ansätze für eine zeitgenössische Orchestermusik, die aus radikaler Diversität der beteiligten musikalischen Perspektiven entsteht. Übliche Repertoires, Besetzungen, Strukturen und Aufführungsformate des klassisch-europäischen Orchesterapparates des 19. Jahrhunderts dienen dabei nur als ein möglicher Bezugspunkt unter mehreren anderen. Jedes Encounter endet mit einem öffentlichen Werkstattkonzert, bei dem das Publikum am Prozess teilhaben kann.
> Encounter I: 13. bis 15. Dezember 2024 im Radialsystem
(Thema: Trans-traditionelle Musik – Versuch einer Selbstverortung)
> Encounter II: 3. bis 5. März 2025 im Haus der Kulturen der Welt
(Thema: Trans-traditionelle Kollektivität)
> Encounter III: 14. bis 16. April 2025 im Radialsystem
(Thema: Trans-traditionelle Komprovisation)
> Encounter IV: Oktober 2025 in der Akademie der Künste
(Thema: Trans-traditionelle Mikrotonalität)
> Encounter V: tbd im Radialsystem
(Thema: Trans-traditionelle Multiperspektivität)
> »SAVE THE DATE«: 24. bis 26. April 2026
Dreitägiges Abschlussfestival im Radialsystem
Im Zentrum des abschließenden Festivals und der im Herbst 2026 erscheinenden Publikation steht die musikalische und diskursive Darstellung einer orchestralen Musikpraxis, die sensibel für ethnische, biographische, sexuelle oder geschlechtsbezogene Aspekte ist und, wie der Komponist George Lewis es beschreibt, eine dezentrale Mosaik-Identität etabliert. Die entstehende Musik erkennt historische, geografische und kulturelle Querverbindungen an – nicht, um Diversität als Selbstzweck zu erreichen, sondern um aus Diversität eine neue musikalische Komplexität zu ermöglichen, die größere kreative Tiefe verspricht.
In den ergebnisoffenen Encounters, einem begleitenden Podcast und den Festivalformaten wird musikalisch und diskursiv gefragt:
> Welches gemeinsame aber bisher unentdeckte »Dritte« lässt sich finden, das weder das Eigene noch das Fremde ist?
> Wie kann ein Orchester aussehen, das der vollkommen gewandelten deutschen Einwanderungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts entspricht?
> Wie kann ein solches Orchester den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, indem es Brücken baut und Anerkennung für diverse Communities schafft?
> Wie kann die Teilhabe bisher exkludierter und marginalisierter Musiker*innen und der Öffentlichkeit am zeitgenössischen Musikgeschehen selbstverständlicher werden?
> Wie drückt sich die plurale, postmigrantische Gesellschaft musikästhetisch und auf exzellentem musikalischen Niveau aus?
> Was ist Exotismus in der Musik?
> Welche Begriffe, Konzepte und Arbeitsmethoden prägen eine trans-traditionelle Orchesterpraxis?
> Wie kann eine dekoloniale und epistemologisch dezentrale Orchesterpraxis gelingen?
In der musikalischen Beantwortung dieser Fragen führt nicht nur das Trickster Orchestra selbst als einzigartiger postmigrantischer Klangkörper einen Diskurs weiter – vielmehr lädt es für sein Vorhaben bewusst einige der besten Köpfe und spannendsten Ensembles der trans-traditionellen Richtung der zeitgenössischen Musik ein, sich hier erstmals als zentrale und klanglich hochinnovative Szene des deutschen Musikgeschehens zu präsentieren.